Becher, Niemiecki, e-books

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Matthias Becher
Karl der Grosse
München 1999
Verlag C.H. Beck
Wissen in der Beck’schen Reihe 2120
Einleitung
Wie kein anderer mittelalterlicher Herrscher ist Karl der Große auch heute
noch einem breiteren Publikum bekannt. Mit seiner Person verbindet man
fast automatisch die Vorstellung von historischer Größe. In anderen
europäischen Sprachen sind Name und Beiname sogar zu einer
untrennbaren Einheit verschmolzen:
Charlemagne
oder
Carolomagno.
Ohne
Zweifel war er ein bedeutender Herrscher, wie ist es aber um seine
Persönlichkeit bestellt? Was wissen wir über den Charakter und die
menschlichen Qualitäten des „großen Karl“? Anders als bei anderen
Herrschern ist für die Beantwortung dieser Frage die Quellenlage für Karl
vergleichsweise gut. Besitzen wir doch aus der Feder eines engen Vertrauten
eine Lebensbeschreibung Karls, die nahezu zeitgenössisch ist. Der aus
einem ostfränkischen Adelsgeschlecht stammende und umfassend gebildete
Einhard war Ende des 8. Jahrhunderts an Karls Hof gekommen und hatte
rasch Karriere gemacht. Seine
Vita Karoli magni
verfaßte er wohl wenige
Jahre nach dem Tod des Kaisers. Allgemein beschränkten sich
mittelalterliche Beobachter eines Monarchen zumeist darauf, ihn als einen
idealen Herrscher darzustellen, der einem allgemeingültigen christlichen
Tugendkatalog vorbildlich entsprach. Der individuelle Charakter war
dagegen uninteressant. Einhard verzichtete zwar auf die Hervorhebung der
christlichen Tugenden, betonte aber auch seinerseits allgemeingültige,
statische Eigenschaften: Karl habe etwa „alle Herrscher seiner Zeit an
Weisheit und Seelengröße“ überragt. Seine Ausführungen über das Privat–
und Familienleben des Kaisers leitete Einhard mit einem Verweis auf dessen
Beständigkeit in Glück und Unglück ein. Die Feindschaft der byzantinischen
Kaiser habe er ebenfalls mit großer Geduld und Seelengröße ertragen.
Daneben zeichnet Einhard aber auch ein äußerst lebendiges Bild Karls des
Großen:
Er war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Größe, die
jedoch das richtige Maß nicht überschritt – denn seine Länge betrug, wie man
weiß, sieben seiner Füße –, das Oberteil seines Kopfes war rund, seine Augen
sehr groß und lebhaft, die Nase ging etwas über das Mittelmaß, er hatte
schönes graues Haar und ein freundliches, heiteres Gesicht. So bot seine
Gestalt im Stehen wie im Sitzen eine höchst würdige und stattliche
Erscheinung, wiewohl sein Nacken feist und zu kurz, sein Bauch etwas
hervorzutreten schien: das Ebenmaß der andern Glieder verdeckte das. Er
hatte einen festen Gang, eine durchaus männliche Haltung des Körpers und
eine helle Stimme, die jedoch zu der ganzen Gestalt nicht recht passen wollte;
seine Gesundheit war gut, außer daß er in den vier Jahren vor seinem Tode
häufig von Fiebern ergriffen wurde und zuletzt auch mit einem Fuße hinkte.
Aber auch damals folgte er mehr seinem eigenen Gutdünken als dem Rat der
Ärzte, die ihm beinahe verhaßt waren, weil sie ihm rieten, dem Braten, den er
zu speisen pflegte, zu entsagen und sich an gesottenes Fleisch zu halten.
Beständig übte er sich im Reiten und Jagen, wie es die Sitte seines Volkes
war. (...) Sehr angenehm waren ihm auch die Dämpfe warmer Quellen; er übte
sich fleißig im Schwimmen und verstand das so trefflich, daß man ihm keinen
darin vorziehen konnte. Darum erbaute er sich auch zu Aachen einen
Königspalast und wohnte in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tode
beständig darin. Und er lud nicht bloß seine Söhne, sondern auch die
Vornehmen und seine Freunde, nicht selten auch sein Gefolge und seine
Leibwächter zum Bade, so daß bisweilen hundert und mehr Menschen mit ihm
badeten.
So groß wird das Gedränge vielleicht doch nicht gewesen sein, da Einhard zu
Übertreibungen neigte, oft zugunsten seines Helden und zu dessen
Idealisierung. Einhard lehnte sich zudem in seinen Formulierungen eng an
die Viten, die Lebensbeschreibungen, der römischen Kaiser aus der Feder
des antiken Autors Sueton an. Nur wenige Details hat er frei formuliert.
Seine Angabe über Karls Körpergröße wurde durch Messungen an dessen
Skelett in etwa bestätigt; der Kaiser war tatsächlich über 1,80 Meter groß,
entsprechend sieben Fuß. Immerhin erwähnte er kleine äußerliche Makel
des großen Herrschers: die Riesennase, den kurzen Hals, den Hängebauch
und die Fistelstimme, so daß vielleicht auch anderen Angaben zu trauen ist.
Den Charakter des Herrschers thematisiert unser Gewährsmann nicht
eigens, doch lassen sich manche Schwächen zumindest erahnen –
Eigensinn, die Neigung zur Völlerei und der Drang, ständig im Mittelpunkt
einer großen Gesellschaft stehen zu müssen. Das spiegelt sich in Einhards
Feststellung, daß Karl leicht Freundschaften geschlossen habe, also ein sehr
offener Mensch gewesen sei. Die Vorliebe für gutes Essen muß sehr
eindrücklich gewesen sein, denn Einhard betonte auch an anderer Stelle den
Appetit des Kaisers: „Im Essen jedoch konnte er nicht so enthaltsam sein,
vielmehr klagte er häufig, das Fasten schade seinem Körper“. Trunkenheit
jedoch habe er stets verabscheut, nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei
anderen.
Auch andere persönliche Züge läßt Einhard aufscheinen, so etwa eine
gewisse Redseligkeit: „Reich und überströmend floß ihm die Rede vom
Munde, und was er wollte, konnte er leicht und klar ausdrücken. (... ) Er war
so beredt, daß er sogar geschwätzig erscheinen konnte“. Dieser nach außen
gewandte Charakter zeigte sich besonders deutlich bei traurigen Anlässen.
Karl habe den Tod seiner Söhne und einer Tochter „mit weitaus weniger
Fassung (ertragen), als man bei der bewundernswerten Größe seines Geistes
erwartet hätte. Seine Vaterliebe war so groß, und er vergoß viele Tränen.
Auch damals, als er vom Tode des römischen Papstes Hadrian erfuhr, den er
von allen seinen Freunden am meisten geliebt hatte, weinte er so sehr, als
habe er einen Bruder oder seinen liebsten Sohn verloren“. Die Liebe zu
seinen Töchtern sei so groß gewesen, daß er ihnen nicht gestattet habe zu
heiraten. Das Bild eines geselligen Patriarchen entsteht vor unseren Augen,
der in persönlichen Angelegenheiten auch bescheiden sein konnte; so habe
Karl große Gastmähler nur an hohen Festtagen veranstaltet, fast immer
einfache Kleidung getragen und nur bei feierlichen Gelegenheiten
entsprechende Gewänder oder gar fremdländische Roben angelegt.
Weiter pflegte Karl laut Einhard einen unregelmäßigen Lebenswandel, der
stark an den des ersten römischen Kaisers Augustus erinnert: Während er
1
Übersetzung nach R. Rau, Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Teil 1, (Freiherr
vom Stein–Gedächtnisausgabe 5), 1955, S. 192 u. 194.
 im Sommer nach dem Mittagessen zwei bis drei Stunden ruhte, unterbrach
er nachts „den Schlaf vier– oder fünfmal, indem er nicht bloß aufwachte,
sondern auch aufstand. Während er Schuhe und Kleider anzog, ließ er
nicht allein seine Freunde vor, sondern wenn der Pfalzgraf von einem
Rechtsstreite sprach, der nicht ohne seinen Ausspruch entschieden werden
könne, so hieß er die streitenden Parteien sofort hereinführen und sprach
nach Untersuchung des Falls das Urteil, als säße er auf dem Richterstuhl;
und das war nicht das einzige, sondern was er für diesen Tag von
Geschäften zu tun und einem seiner Diener aufzutragen gab, das besorgte er
zu dieser Stunde“. Des Nachts soll Karl auch das Schreiben geübt haben,
allerdings mit wenig Erfolg. Schreiben und Lesen bildeten im Mittelalter
keine Einheit; so ist es umstritten, wie weit Karls Lesekünste reichten. Seine
Wißbegierde trieb ihn jedenfalls dazu, sich mit den Wissenschaften seiner
Zeit zu beschäftigen. Selbst für die Astronomie und den Lauf der Gestirne
interessierte er sich, und bei Tisch ließ er sich gar aus den Werken des
heiligen Augustin vorlesen. Ob er allerdings sehr tief in die höhere Bildung
eindrang, muß dahingestellt bleiben. Zur Tischlektüre gehörten immerhin
laut Einhard auch „die Geschichten und Taten der Alten“, und auch Musik
wurde zu Gehör gebracht. Mit beidem konnte der Herrscher vermutlich mehr
anfangen als mit jenen hochgelehrten Traktaten.
Trotz der eindrücklichen Beschreibung seines Äußeren und mancher
Charakterzüge Karls wird es nicht möglich sein, eine Biographie über ihn zu
schreiben, die modernen Anforderungen genügt; zu sehr ist Einhards
Darstellung bestimmten Stereotypen verhaftet, und zudem fehlen
persönliche Dokumente, die über Karls Denken und Fühlen Auskunft geben
könnten. Erhalten haben sich lediglich Quellen, die seine Handlungen
einigermaßen ausführlich schildern und daher eine politische Biographie
zulassen. Doch auch mit diesem reduzierten Anspruch stößt der moderne
Historiker bald an seine Grenzen: Über seine Motive schweigen sich die
Quellen meist aus. Daher ist etwa auch die Frage nach seinem Erfolg
letztlich nicht eindeutig zu beantworten. Sicherlich war etwa die Eroberung
Sachsens ein Gewinn für das Frankenreich; aber war es ein Erfolg
angesichts der Opfer und angesichts der Tatsache, daß Karl hierfür rund 30
Jahre benötigte? So ist dieses Bändchen wie jede andere moderne
Biographie eines früh– und hochmittelalterlichen Herrschers eine
individuelle Interpretation, die auf einer jahrelangen Beschäftigung mit den
Quellen und der Literatur beruht.
1. Der Höhepunkt einer Regierung: Die Kaiserkrönung
Karls am Weihnachtstag des Jahres 800
Das Fest der Geburt Jesu im Jahr 800: Am Morgen des Weihnachtstages
betrat Karl der Große St. Peter in Rom, um an der dritten Weihnachtsmesse
teilzunehmen, die der Papst dort nach altem Brauch feierte. Liegend betete
man die
Oratio.
Als Karl sich erhob, nahm Leo III. eine Krone und setzte sie
dem Frankenkönig aufs Haupt. Den anwesenden Römern war die Bedeutung
dieser Handlung sogleich bewußt, denn sie akklamierten Karl als Kaiser,
indem sie dreimal unter Anrufung der Heiligen riefen:
Carolo, piissimo
Augusto, a Deo coronato, magno et pacifico imperatore, vita et victoria! –
„Karl,
dem allergnädigsten Augustus, dem von Gott gekrönten großen und Frieden
stiftenden Kaiser, Leben und Sieg!“ Nach altem Herkommen ehrte der Papst
den neuen Kaiser mit einem Fußfall.
Die Ereignisse des Weihnachtstages 800 waren spektakulär und hatten
weitreichende Folgen. Damals wurde das mittelalterliche Kaisertum
gegründet, das in Form des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
bis zum Jahr 1806 fortbestehen sollte. Zugleich wurde dieses Kaisertum eng
an das Papsttum gebunden, obschon Karl dies keinesfalls so beabsichtigt
hatte. Auch den Zeitgenossen muß die Bedeutung dieses Aktes bewußt
gewesen sein; denn mit ihm forderte Karl Byzanz heraus, das sich als
bruchlose Fortsetzung des alten
Imperium Romanum
verstand. Bislang war
der in Konstantinopel residierende oströmische Kaiser auch im Westen
Europas der allgemein anerkannte Inhaber der höchsten weltlichen Gewalt
gewesen. Kein fränkischer, langobardischer oder gotischer König hatte
jemals ernsthaft diesen Vorrang bestritten. Auch für die Päpste war der
Kaiser bis zu Leos Vorgänger Hadrian in theologischen Angelegenheiten der
wichtigste Partner geblieben, während der Frankenkönig den weltlichen
Schutz des Papstes und der Stadt Rom übernehmen durfte. Karl blieb ohne
den Kaisertitel bei aller realen Macht zweitrangig und mußte hinter den
alten höchsten Repräsentanten der geistlichen und der weltlichen Gewalt,
dem Papst und dem Kaiser im Osten, zurückstehen.
Indes standen Unruhen in der Ewigen Stadt am Anfang einer Entwicklung,
die schließlich zur Kaiserkrönung Karls führen sollte. Im Jahr 795 war Papst
Hadrian gestorben. Sein Nachfolger Leo III. entstammte im Gegensatz zu
seinem Vorgänger nicht den adligen Führungsschichten der Stadt Rom,
sondern verdankte seinen Aufstieg ausschließlich dem Dienst in der
römischen Kirche. Schon bald kam es zu Spannungen zwischen dem neuen
Papst und der Aristokratie, über die uns die zeitgenössischen Quellen im
Unklaren lassen, doch dürfte es um die Verteilung von Macht und Einfluß
innerhalb der Stadt Rom und in ihrem Umland gegangen sein. An der Spitze
der Unzufriedenen standen Paschalis, ein Neffe Hadrians, und Campulus,
beide hohe päpstliche Verwaltungsbeamte, die bereits Hadrian gedient
hatten. Am Markustag, dem 25. April, des Jahres 799 nutzten die Aufrührer
eine Prozession durch Rom, um einen Umsturz herbeizuführen. Der Papst
wurde ergriffen und mißhandelt, ja man wollte ihn sogar blenden und ihm
die Zunge herausschneiden. Solche Verstümmelungen dienten dem Ziel, das
Opfer auf Dauer amtsunfähig zu machen. Tatsächlich wurde dem Papst
wohl auch in der Kirche des Klosters San Silvestro in Capite ein förmlicher
Absetzungsprozeß gemacht. Anschließend wurde er zunächst dort, dann im
Kloster San Erasmo in Monte Celio inhaftiert.
Doch die Verschwörer wagten nicht, einen neuen Papst einzusetzen, ohne
zuvor den Frankenkönig Karl eingeschaltet zu haben, der Ober– und
Mittelitalien machtpolitisch beherrschte. Er hatte Leo schließlich förmlich
anerkannt, der ihm sogar anläßlich seiner Wahl die Schlüssel zum Grab des
hl. Petrus und das Banner der Stadt Rom übersandt hatte und so Karls
Rolle als Schutzherr Roms unübersehbar herausgestellt hatte; ihn durften
die Umstürzler nicht übergehen, wenn sie mit ihrem Vorhaben Erfolg haben
wollten. Paschalis und Campulus mußten die notwendigen Konsultationen
nicht fürchten, repräsentierten sie doch auf Grund ihrer Nähe zu dem von
Karl geschätzten Papst Hadrian eine Gruppierung, die am fränkischen Hof
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